Schlehenwein

Eine weitere Spezialität, die ihren Ursprung im Ogetann findet und erst mit den Kobolden Einzug in die Taverne gehalten hat ist der Schlehenwein. In ihm finden die Beeren der dornigen Büsche, die Teil der kargen Vegetation der schwarzen Mark sind, ihre Verwendung. Wer einmal einen der geschützteren Orte gefunden hat und diesen dann durch ein undurchdringliches Gewirr aus dornigen Zweigen besetzt sah, dem wird sich der Gedanke an Enzociar aufdrängen. Als wollten sie der lebensfeindlichen Landschaft noch eine Steigerung entgegenhalten, entwickeln diese Sträucher dort besonders lange Dornen, die von allerlei unangenehmen Flechten besetzt sind. Wieviel mehr können wohl die Kobolde dazu sagen, die als dienstbare Geister die Früchte zwischen diesen Dornen herausklauben müssen? Jedes Jahr, sobald die ersten Frostnächte die Früchte zur letzten Reifephase anregen, schwärmen diese Bediensteten aus, um körbeweise die Ernte einzubringen. Manch einer von ihnen verbringt daraufhin den halben Tag am Heilbrunnen, um die dabei erhaltenen Stiche, Kratzer und Schnitte wieder loszuwerden, die sonst zu bösartigen Entzündungen führen.

Trotzdem dringt außer dem üblichen Gemecker keine Klage über ihre Lippen, denn das, was sie daraus erzeugen, ist seit langer Zeit eine Besonderheit dieser wüsten Gesellschaft. Im Gegensatz zu ihrem Königshof bekommen sie hier jedoch öfter etwas von diesem begehrten Gebräu ab.

Also werden die schwarzen Früchte zerquetscht, noch bevor der letzte Korb den Drachenschädel durchwandert hat und mit Spülwasser aus der Backstube zu einer violetten Suppe verdünnt. Der Gedanke an dieses Wasser würde so manchen Tavernenbesucher abschrecken, doch haben die meisten das Ergebnis bereits kennen und lieben gelernt, bevor sie von seiner Herstellung erfahren. Nicht jeder Teil der Kochkunst aus dem Ogetann muss den freien Völkern behagen, es reicht, wenn das Ergebnis schmeckt.

In diesem Fall wird das Ergebnis erst nach einem Jahr sichtbar. Nachdem nämlich die Brühe nach einigen Tagen schleimig und schäumend in den Bottichen steht, wird sie durch ein Tuch in tiefe Tongefäße gegeben. Spätestens jetzt mag ein gewitzter Beobachter erkennen, dass daraus einmal ein so tiefroter Wein entsteht, dass selbst Blut daneben blass erscheint.

Nach langer Zeit, in der nur einige wenige aus den Reihen der Kobolde Zutritt erhalten, um mit Honiggaben den Wein zu veredeln, wird dieser noch ein letztes mal durch die Tücher gegeben. Anschließend landet er in Fässern, die erst zum Öffnen in den warmen Schankraum gelangen. Dort allerdings erfreut sich der Schlehenwein aus der Mark bei einigen Zungen derart großer Beliebtheit, dass die schmerzhafte Prozedur der Ernte den Kobolden wohl noch lange erhalten bleibt. Doch solange sie die Reste aus den Fässern verwerten dürfen, werden sich diese auch weiterhin nicht sträuben.


Der Text stammt von Felida und darf jederzeit verwendet werden.

Heute in Evergore:

Vamarn, 9. Korrons im Jahre 775

Kommende Feiertage: