Kräfte sammeln

Am Morgen des 20. Tages im Sonnenfall kehrte Azura Debonaire zurück.

Graue Wolken hingen tief über dem Moor. Zur Rechten begann ein finster dreinblickender Wald, vor ihr dagegen kräuselte der Wind das hüfthohe Gras, dessen Farbe je nach Windrichtung zwischen grau und mattgrün wechselte. Manche Bäume ließen traurig ihre Äste hängen, die schon seit Jahren kein Blatt mehr getragen hatten. Andere wiederum waren knorrig und verkrüppelt, reckten sich trotzdem in die Höhe. Nicht, dass sie dadurch lebendiger gewirkt hätten – ihre kahlen Zweige wirkten eher wie die Finger einer skelettierten Hand.

Die Halbelfe sog den Anblick förmlich in sich auf – die Nebelschleier über den kleinen Seen, aus dem Boden ragende Felsnadeln und in der Ferne am Horizont das Hochgebirge. Schon beim ersten Anblick hatte Azura beschlossen, sich hier nieder zu lassen. Yaramer nannte sie das Land, was übersetzt die Schwarze Mark bedeutet. Ein Gebiet an der Grenze zur Vergessenheit, in dem die größte Kunst darin bestand, täglich zu überleben.

Nun allerdings hatte die kleine Gemeinschaft den dunklen Tempel vollendet, was das Leben zumindest für die Anhänger der Neuen Ordnung erleichterte. Gestern hatte sie das Stadtrecht erworben; nun war es an der Zeit, Gleichgesinnte zu finden. Die Dunkelheit war über das ganze Land verstreut worden, und nur wenige hatten sich eingefunden, um wieder gemeinsam unter dem Banner Syrthans in die Schlacht zu ziehen. Wie viele von den alten Gläubigen würden noch folgen? Wie viele ihre Ansichten verleugnen und an den bequemen Kaminen in den Städten bleiben, in die sie sich nach dem Ende des Nachthains oder Duaths geflüchtet hatten? Ein Leben in Ruhe und Beschaulichkeit führen, aber auch in Stillstand und Nichtsnützigkeit – ganz, wie es den Priestern der Alten Ordnung gefiel?

Sie beschloss, einige Briefe zu schreiben ... wer wahrhaft an die Dunklen Fünf glaubte, würde nicht in den Fängen der Stagnation und des Zweifels verharren.

Heute in Evergore:

Vamarn, 9. Korrons im Jahre 775

Kommende Feiertage: